Kreativ arbeiten, Fotografieren, Handwerkern, Zeichnen oder Töne visualisieren sind Aktivitäten, die mit den bildenden und darstellenden Künsten, Musik und Literatur in Verbindung gebracht werden. Diese fördern Kompetenzen wie räumliches und Beurteilungsvermögen, Kreativität und Innovationsfreudigkeit. So eröffnen sie eine Vielzahl kreativer Aktivitäten, die in den Schulunterricht integriert werden können. In Verbindung mit den Anforderungen an die zukünftigen Arbeitnehmerinnen und -nehmer in einer digitalisierten Welt, gewinnen diese Kompetenzen mehr und mehr an Bedeutung. Denn nicht nur die Entwicklung von Produkten und Angeboten, sondern auch die Art und Weise der Zusammenarbeit in Organisationen und Unternehmen erfordern unkonventionelle Prozesse und flexible Persönlichkeiten.
Wie die erforderlichen Kompetenzen der zukünftigen Arbeitnehmerinnen und -nehmer ausgebildet werden, ist im starren deutschen Bildungssystem kaum verankert. Die Implementierung einzelner Kompetenzen in Zusammenhang mit der Mediennutzung oder in Zusammenhang mit den MINT Fächern ist schon erfolgt. Jedoch steht die MIN(K)T-Bildung im deutschen Bildungssystem noch in ihren Kinderschuhen. Erfährt sie im frühkindlichen Bereich schon vereinzelt an Bedeutung, ist sie für ältere Kinder und Jugendliche noch nicht im Bildungssystem verankert. Eine überschaubare Anzahl außerschulischer Akteure und Initiativen hingegen schaffen eine breite Palette von MIN(K)T Bildungsangeboten.
Denn schon jetzt fordert die digitale Transformation den bildungspolitischen Fokus auf weitere Kompetenzen zu legen – insbesondere auf die 21rst Century Skills – Kommunikation, Kreativität, Beurteilungsvermögen und Kooperationsfähigkeit.
Auch wenn die bildungspolitische Ebene noch keine Anstrengungen für die Implementierung eines MIN(K)T-Rahmens gezeigt hat, sind in Deutschland einige Initiativen sichtbar, die mit MIN(K)T-Bildung in Verbindung gebracht werden können.
In der Initiative Code Your Life erfahren Kinder und Jugendliche den Zusammenhang zwischen Algorithmen und künstlicher Bildgestaltung oder erschaffen Musik. „Wir fördern die Vorstellungskraft und den kreativen Umgang durch und mit Programmieraufgaben, indem Kinder und Jugendliche mit unserer Turtle-Anwendung erlernen, geometrische Formen und algorithmische Folgen zu definieren, die kunstvolle Bilder ergeben,“ erklärt Jutta Schneider, Projektmanagerin der Initiative Code your Life. In den letzten Jahren konnten ungefähr 300.000 Kinder und Jugendliche erreicht und ihre Lehrkräfte und pädagogischen Fachkräfte im Umgang mit dem Angebot geschult werden. Ein umfassendes Angebot an Unterrichtsmaterialien, Online-Tutorials und Lehrkräftefortbildungen sind Teil des Angebotes.
Die Verbindung von Kunst mit Technologie, Mathematik und Informatik macht jedes Jahr der Wettbewerb und die damit verbundene Ausstellung „Der Deutsche Multimedia Preis mb21“ sichtbar. Kinder und Jugendliche aus unterschiedlichen Altersgruppen reichen ihre eigenen kreativen multimedialen Ideen und Produkte ein. Sei es kreative Blogs, Soundkombinationen für die Stadt der Zukunft oder Musik malen mithilfe von künstlicher Intelligenz. Im jährlich stattfindenden Medienfestival können die Objekte der Preisträgerinnen und Preisträger besichtigt und selbst ausprobiert werden. Zum Beispiel lassen sich mit 3D-Druckern fantasievolle oder nützliche Dinge herstellen, mit dem Lötkolben Technik reparieren oder neu zusammensetzen und künstlerisch gestaltet werden.
Strukturell ist MIN(K)T-Bildung jedoch noch nicht im deutschen Bildungssystem verankert. Doch seit mehr als 14 Jahren ist MINT-Bildung in Deutschland auf zivilgesellschaftlicher und politischer Ebene ein zentrales Thema. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung veröffentlichte im Jahr 2019 den MINT-Aktionsplan und definierte vier Handlungsfelder: MINT-Bildung für Kinder und Jugendliche, MINT-Fachkräfte, Chancen von Mädchen und Frauen in MINT und MINT in der Gesellschaft.
Zudem könnte auf die Struktur der bisher etablierten MINT-Netzwerke zugegriffen werden, die bereits jetzt lokale Instanzen für MINT-Bildung und -Ausbildung geschaffen haben und Bildungseinrichtungen wie Kindergärten und Schulen unterstützen, mit Kinder und Jugendlichen die Welt der Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik zu erforschen und entdecken.
Ziel dieser Maßnahmen ist u.a. die Sicherung von Fachkräften in Deutschland und die Förderung von weiblichen Arbeitnehmerinnen in technischen und naturwissenschaftlichen Berufsfeldern. Vom frühkindlichen Bereich – Stiftung Haus der kleinen Forscher, über Vor- und Grundschulen – Auszeichnung MINT-freundlicher Schulen – hin zu MINT Regionen für weiterführende Schulen gibt es schon zahlreiche zivilgesellschaftliche Initiativen.
Die Stiftung Haus der kleinen Forscher ist im frühkindlichen Bereich aktiv und fördert den natürlichen Forscherdrang. Mit lokalen Akteuren in über 200 lokalen Netzwerken unterstützt sie pädagogische Fachkräfte in Kindergärten mit Ideen und Fortbildungen, um das Interesse an MINT Bildung bei Kindern zu unterstützen und zu wecken.
Doch auch im Bereich der MINT Bildung ist an den deutschen weiterführenden Schulen einerseits die fächerübergreifende Beschulung und andererseits die Verankerung einzelner MINT-Fächer nicht vorhanden. Die Disziplinen Technik und Informatik sind in den Bildungsplänen der Länder gar nicht oder nur rudimentär angelegt. Eine interdisziplinäre Unterrichtsplanung zwischen mehreren Lehrkräften findet nur selten statt. Die deutsche Lern- und Schulstruktur, in der Lehrkräfte Unterricht durchführen und organisieren, lässt kaum Freiräume für den interdisziplinären Austausch zwischen den Kolleginnen und Kollegen. „Im internationalen Vergleich gibt es in Deutschland eine relativ hohe Anzahl an Unterrichtsstunden – bis zu 28 im Vergleich zu beispielsweise 15-18 Stunden in China. Das lässt wenig Raum zur Weiterbildung oder für die Entwicklung und Implementierung interdisziplinärer Lernangebote an deutschen Schulen,“ so Dr. Ekkehard Winter Co-Sprecher des Nationalen MINT Forums.
Anstöße für die Stärkung der MINT Bildung in Deutschland auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene zu geben, ist eine zentrale Aufgabe des Nationalen MINT Forums (NMF). Die Mitglieder des NMF – 30 renommierte Einrichtungen aus Wissenschaft, Wirtschaft und dem Stiftungssektor – engagieren sich bspw. bei der Verknüpfung von schulischen und außerschulischen Angeboten in derzeit schon mehr als 130 MINT Regionen. Dabei handelt es sich um Netzwerke, die lokal passende, zentral koordinierte und nachhaltig wirksame Angebote entlang der gesamten Bildungskette in den MINT-Fächern vor Ort schaffen. Projekttage, Forscherwerkstätten, Lehrerfortbildungen und Unterrichtsmaterialien sind dabei gängige Angebote für Bildungsverantwortliche. Mit Parlamentarischen Abenden oder dem jährlichen Nationalen MINT Gipfel regt das NMF politische Debatten an und richtet Kernforderungen an die bildungspolitischen Entscheiderinnen und Entscheider. Doch wie verhält es sich mit der Verknüpfung von Kunst und MINT? Dr. Ekkehard Winter sieht darin eine Perspektiverweiterung auch in Hinblick auf die Anforderungen an die Arbeitskräfte in einem digitalisierten Arbeitsumfeld. Das NMF will jetzt in einer Arbeitsgruppe Empfehlungen erarbeiten, wie die Zusammenarbeit über die Fächergrenzen hinweg gelingen kann und so die Auseinandersetzung über MIN(K)T-Bildung in Deutschland anregen.
Das aktuelle Projekt STEAMonEdu stößt eine Diskussion zum MIN(K)T Bildungs- und Kompetenzrahmen für die pädagogische Ausbildung an. Darüber hinaus veranschaulicht ein MOOC und eine online-gestützte Fortbildung pädagogischen Fachkräfte, Lehrerinnen und Lehrer Beispiele guter Praxis und MIN(K)T Lernaktivitäten. Eine europäische MIN(K)T-Community gibt dabei Impulse und Anstöße zur Etablierung der MIN(K)T-Bildung. Helliwood media & education (21st CCC) ist deutscher Konsortialpartner und verantwortet die Umsetzung des Projekts in Deutschland. Mit ihrer Erfahrung in der Umsetzung von Medienpädagogik und dem Angebot von Aktivitäten für Kinder und Jugendliche im Rahmen bundesweiter Bildungsinitiativen wird Helliwood media & education die deutsche MIN(K)T-Community ansprechen und aufbauen.